Antisemitismusvorbeugung vor dem Hintergrund der Geschichte der SchUM-Städte
Die Verfolgungen der jüdischen Gemeinden in den SchUM-Städten Speyer, Worms und Mainz im Jahre 1096 waren eine Urkatastrophe des europäischen Judentums. In dem Roman „Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein“ von Jakob Matthiessen werden die Sicht der verschiedenen Akteure dargestellt und die religiösen Konflikte zwischen den unterschiedlichen Parteien ausgeleuchtet.
Aufbauend auf Szenen des Romans entwickeln wir pädagogisches Material, welches deutlich macht, wie auf dem Boden christlicher Theologie antijüdische Vorurteile gewachsen sind und zu Judenhass geführt haben. Dadurch wird ein reflektierter Umgang mit christlichen Texten gefördert und der Reproduzierung antijüdischer Stereotypen im Religionsunterricht entgegengewirkt.“
Das Material wird auf der Plattform rpi-virtuell und in einem Lehrbuch zur Verfügung gestellt. So leistet das Projekt Aufklärung über das Judentum in Deutschland und hilft, Antisemitismus vorzubeugen.
Projektstart am 1. Januar 2024
Alter Jüdischer Friedhof Mainz: © Carsten Costard und Stadt Mainz
Judenhof in Speyer © Klaus Venus und Stadt Speyer
Mittelalterliche Synagoge in Worms © Kati Nowicki und Tourist Information Worms
Das Projekt
Die Geschichte des europäischen Judentums ist geprägt von einer Reihe von Verfolgungen, die im Holocaust ihren grausamsten Höhepunkt erreicht hat. Die Gewalt gegen Juden wurde dabei seit frühester Zeit religiös begründet. Der wirkungsmächtige Vorwurf: „Die Juden“ hätten Jesus Christus, den Sohn Gottes, ermordet und würden Christenkinder für ihre geheimen Rituale foltern und töten. Auch die Nationalsozialisten machten Gebrauch von diesen über Jahrhunderte in der europäischen Gesellschaft verankerten Wahnbildern. Der Gottesmordvorwurf und die daraus abgeleitete Ritualmordlegende waren die ideologische Grundlage des traditionell christlichen Hasses gegen die Juden in der Geschichte und sind so der Wurzelgrund auch des Holocausts.
Die erste europaweite Verfolgung der jüdischen Minderheit fand im Jahre 1096 im Zuge des 1. Kreuzzugs statt. Insbesondere die SchUM-Städten Speyer, Worms und Mainz waren davon betroffen. Die Kreuzfahrer, die auf ihrem Weg nach Jerusalem in den Städten Europas wüteten, rechtfertigten Gewalt gegen die Juden mit dem Gottesmordvorwurf: Alle Juden, die sich der Taufe widersetzten, sollten ermordet werden – Tod oder Taufe war der Schlachtruf dieser fanatischen Christen.
Der heute stark wachsende Antisemitismus (vgl. Antisemitismusbericht der Bundesregierung und einzelner Länder wie Baden-Württemberg) macht eine Achtsamkeit für antijüdische Sprachbilder zwingend notwendig. Bei der Vorbeugung des Antisemitismus sind daher Schulen besonders gefordert. Neben dem Geschichtsunterricht steht dabei der Religionsunterricht in der Verantwortung, können doch gerade dort anti-jüdische Vorurteile und Klischees weitergegeben werden. So wurde in der Geschichte der Kirche das „Neue“ Testament als ein Zeugnis der Liebe und umsonst geschenkten Gnade Gottes im Gegensatz zum „Alten“ Testament als Zeugnis des Gesetzes und der fordernden Gerechtigkeit Gottes dargestellt. Weiterhin wurde in Anlehnung an Texte des „Neuen“ Testaments behauptet, dass „die Juden“ durch ihre angebliche Mitverantwortung am Tode Jesus Christi ihre Vorrangstellung vor Gott verloren hätten und ein „Neuer Bund“ der Christen den „Alten Bund“ der Juden abgelöst hätte. So wurde eine Minderwertigkeit des Judentums gegenüber dem Christentum impliziert. Ohne Sensibilität für diese Themen können diese antijüdischen Negativbilder auch heute noch im Religionsunterricht reproduziert werden
Im Sommer 2021 ist der Roman „Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein“ von Jakob Matthiessen im Gmeiner-Verlag erschienen (siehe Infobox Der Roman „Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein“). Darin werden die Verfolgungen in den SchUM-Städten aus der Sicht verschiedener Akteure dargestellt und die religiösen Konflikte zwischen den unterschiedlichen Parteien ausgeleuchtet. Weder Christen noch Juden werden dabei als homogene Gruppen dargestellt: So versuchten Bischöfe und andere Christen die Juden vor der Gewalt der Kreuzfahrer zu schützen. Und auch unter den Juden gab es unterschiedliche Meinungen, wie man mit der Bedrohung umgehen sollte: Manche Juden waren bereit, als Märtyrer zu sterben, für andere überstieg der Wert des Lebens die Schande einer Zwangstaufe. So bietet der Roman viele Möglichkeiten, jüdisch-christliche Themen für verschiedenen Alters- und Vorbildungsstufen darzustellen.
Das Ziel des Projektes „Antisemitismusvorbeugung vor dem Hintergrund der Geschichte der SchUM-Städte“ ist es, bereits ausgearbeitetes religionspädagogische Material unter universitärer Anleitung so weiterzuentwickeln, dass es auf einer breiten Basis im Religionsunterricht in den Klassen 9 – 13 in allen Schultypen zur Anwendung kommen kann. Dabei werden Schulen in sozialen Brennpunkten gezielt mit aufgenommen. Dieses Vorhaben wird durch zwei flankierende Maßnahmen unterstützt:
- Bei einer Lesereise in Schulen – vorwiegend in den SchUM-Städten – wird das Material erprobt und weiter verfeinert.
- In Kurzvideos werden Schlüsselszenen des Romans vor den Erinnerungsstätten der SchUM-Gemeinden in Form von Lesungen des Autors aufgenommen, für den pädagogischen Gebrauch aufbereitet und über diverse Kanäle verbreitet.
Damit wird am Ende des Projektes (31.12.2024) ein Gesamtpaket zur Behandlung des Themas „christlich motivierter Antisemitismus“ zur Verfügung stehen, dass einen effektiven Einsatz in Schulen erlaubt und auch die Bedeutung der SchUM-Städte angemessen darstellt.
Die SchUM-Städte
SchUM (hebräisch שו״מ) steht für den Verbund der jüdischen Gemeinden in Speyer (Schpira ─ שפירא), Worms (Warmaisa ─ ורמיז) und Mainz (Magenza ─ מגנטה). Die SchUM-Gemeinden waren im Mittelalter als Hochburg jüdischer Weisheit in Europa bekannt, von der Verfolgungen im Jahre 1096 waren sie besonders betroffen. Wegen dieser herausragenden Bedeutung wurden die Erinnerungsstätten der SchUM-Gemeinden im Jahre 2021 als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet.
Die Verfolgungen im Jahre 1096
Die Morde und Zwangstaufen im Jahr 1096 n. Chr. werden als die ersten organisierten Pogrome gegen Juden in Europa betrachtet, unzählige Verfolgungen im Mittelalter und darüber hinaus sollten folgen. Sie stellen eine Art Urkatastrophe des europäischen Judentums dar, welche die jüdische Erinnerung geprägt hat und heute noch im jüdischen Gottesdienst einen festen Platz einnimmt. Auch bei der Aufarbeitung des Holocausts spielen die Ereignisse eine wichtige Rolle.
Im Mai 1096 zogen verschiedene Kreuzfahrerhaufen durch das Rheinland. Sie folgten dem Aufruf von Papst Urbans II., die christlichen Wallfahrtsstätten im „Heiligen Land“ und vor allem Jerusalem von muslimischer Herrschaft „zu befreien“. Die relativ unorganisierten Gruppen setzten sich zusammen aus einigen Rittern und deren Gefolge, Priestern, Mönchen und vielen Bauern und Vertretern gesellschaftlicher Randgruppen. Man spricht in dem Zusammenhang auch vom Volkskreuzzug, der dem Ersten Kreuzzug unmittelbar vorausging.
Aufgestachelt durch den Antijudaismus in den Schriften im Neuen Testament, auf der Suche nach materieller Versorgung des Heeres und vielfach getrieben von blanker Gier fanden die Kreuzfahrer in den Juden Europas ein Feindbild. Bevor die „Ungläubigen“ im „Heiligen Land“ bekämpft würden, sollten die ─ nach volkstümlicher Meinung ─ Mörder des Gottessohns beseitigt werden, sei es durch eine erzwungene Konversion zum Christentum oder durch Mord. „Tod oder Taufe“ war der Schlachtruf der Kreuzritter.
Der Roman
Jakob Matthiessen. Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein. Gmeiner Verlag August 2021, 2. Auflage September 2023.
Mainz, im Jahre 1096. Ein mächtiges Kreuzfahrerheer steht vor den Toren der Stadt und fordert Einlass. Aufgehetzt von dem fanatischen Priester Rotkutte, wollen die Krieger die jüdische Gemeinde auslöschen. Wer nicht seinen Glauben verrät – ein undenkbares Sakrileg für jeden Juden – soll sterben. Rabbi Chaim und Domdekan Raimund, in ihrem Glauben einander freundschaftlich zugetan, suchen in der belagerten Stadt nach einem Weg, Blutvergießen zu verhindern …
Im September 2023 erschien nun die zweite Auflage des Romans mit einem Grußwort der Oberbürgermeisterin von Speyer Stefanie Seiler.
In Jakob Matthiessens Roman werden die Grauen der für das jüdisch-christliche Verhältnis so prägenden Ereignisse, deren theologische Begründung auf Seiten der Kreuzfahrer und die Reaktionen in den unterschiedlichen christlichen und jüdischen Fraktionen anhand von Einzelschicksalen für den Leser erfahrbar. In dem Nachwort wird ausführlich auf die geschichtliche Bedeutung dieser Urkatastrophe des europäischen Judentums eingegangen. Durch die kürzlich erfolgte Anerkennung der SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz (schumstaedte.de) als UNESCO-Welterbe, auch bekannt als „Jerusalem am Rhein“, ist das Buch höchst aktuell.
Klicken Sie HIER für den Flyer.